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Die Goettin der Heiligen Wut

by Esther Moser (English translation to follow in next blog post)


Weihnachten letztes Jahr war kaum spuerbar fuer mich – Tage versunken in Hektik. Ins Krankenhaus, nach Hause, wieder ins Krankenhaus, wieder nach Hause und so fort.  Wochen spaeter nach  einer notfallmaessigen Gebaermutter-entfernung endlich zur Ruhe kommen.

Irgendwann zwischen Weihnachten und Neujahr musste ich fuer eine Blutuntersuchung zu meinem Hausarzt. Und das war der Moment, wo alles ins rutschen kam….

Die Bemerkung des Arztes war fast nebenbei gesagt, aber es war das was es brauchte, um den Deckel  zu einem schon lange brodelnden Gefuehl in mir zu oeffnen.

“ So,so, da sind Sie also in Schwierigkeiten gekommen”, sagte er

Nichts verkehrt mit dem Satz, oder?


Aber die Heilige Wut nahm ihn als Grund um aus dem Sack zu springen!

Ich haette schreien moegen, argumentieren,  ihn schuetteln und vieles mehr und alles zusammen. Nein, ich war nicht einfach in ein paar Schwierigkeiten gekommen. Ich hatte seit zwei Jahren mehrere Aerzte konsultiert mit meinen durch Zysten und Myomen hervorgerufenen Beschwerden , wurde aber immer beschwichtigt, muesse mir keine Sorgen machen, alles sei ok.


Erst als es zu spaet war konnte ich Zusammenhaenge erkennen und endeckte, dass es moegliche Wege der Verhuetung und Fruehbehandlung gegeben haette, auch wenn diese von den  meisten Aerzte als zu alternativ angesehen werden um auf der Liste der Empfehlungen zu stehen.


Aber –um ehrlich zu sein- schreien, argumentieren, den Doktor schuetteln um ihn aufzuwecken war in dem Moment viel zu kraftaufwendig: ich war so muede und erschoepft  durch die letzten zwoelf Monate mit nie endenden starken Periodenblutungen, Schmerzen und Gefuehls-schwankungen. Alles, wozu ich faehig war, war ihm einen Blick zuzuwerfen. Einen Blick der toeten koennte.


Die Intensitaet des Momentes traff mich unvorbereitet – fast hatte ich in dieser langen Zeit, in der ich mich staendig kraftlos, unmotiviert und emotional geschuettelt fuehlte, vergessen, wie es war, so ein klares, scharfes Gefuehl zu haben.


Und ploetlich war sie da, in all ihrer Schoenheit – die Goettin der Heiligen Wut.


Ich erkannte sie sofort – sie war neben Jeanne d’Arc. Sie war mit den Frauen und Heilerinnen im Mittelalter, die missbraucht und verbrannt wurden. Sie ist mit den Frauen, die ungesehen, ungehoert und ignoriert wurden und werden. Sie war es, die das Streichholz anzuendete fuer die Frauen in den Siebzigern, die ihre BHs verbrannten.


Die Liste koennte endlos weitergehen, so oft ist sie in allen Laendern dieser Erde erschienen.

Und wenn ich es mir recht ueberlege – sogar in meinem Leben ist sie oefters mal erschienen, ohne dass ich ihr die verdiente Aufmerksamkeit gewidmet haette. Aber dieses Mal  war es anders, ich wusste es sofort.


Fuer den Arzt war sie unsichtbar, aber nicht unbemerkt. Und sie wollte nicht unbemerkt bleiben, nicht fuer ihn und nicht fuer mich.


Fuer einen kurzen Moment nahm ich mir die Zeit sie zu bewundern, wie sie so dastand: kraftvoll und mit einem geraden, aber unbedrohlichen Blick in meine Augen schauend. Mutig und faehig ihre Grenzen zu wahren. Ich konnte die Hitze ihres feurigen Geistes fuehlen, die gespeist wurde durch alle Ungerechtigkeiten, die Frauen je erfahren hatten, und dem Sehnen nach einer Welt, in der Maenner und Frauen gleich wichtig sind.


Ich fragte sie, ob sie mit mir nach Hause kommen und am Feuer sitzen wollle – ich fuehlte dieses Verlangen danach, ihr zuzuhoeren, mit ihr zu redden. Nie hatte ich ihrem Wispern in meinen Ohren Beachtung geschenkt, nie wollte ich sie als Lehrerin in meinem Leben akzeptieren. Aber jetzt war die Zeit da.


Ein strahlendes Laecheln erhellte ihr Gesicht, als ich sie fragte.


Wir verliessen die Arztpraxis Arm in Arm.


Spaeter am Abend sassen wir  am Feuer und fuehleten diese uralte Verbindung, die zwischen Frauen herscht, wenn sie sitzen und redden. Frauen heilen damit,  dass sie sich mitteilen. Und wenn ein Feuer sie dabei waermt umso besser.


Die Goettin der Heiligen Wut erzaehlte, dass sie die Frauen dieser Erde seit dem Anfang der Welt unterstuetzt, dass sie ein Teil jeder Frau ist die jemals geboren wurde. Dass sie ein Teil der Erde selbst ist.


Sie sagte, dass wenn wir ihre Kraefte weise gebrauchen, dann werde sie uns immer warm halten und unsere Lebensbestimmung unterstuetzen.


Aber wenn wir immer vorgeben, sie existiere nicht, dann kann ihr Feuer eines Tages wie ein Vulkan hochgehen –unkontrollierbar, zerstoererisch, ueberflutend und lebensbedrohend. Oder sie verschwindet, laesst uns  zurueck  verbindungslos zu der eigenen Seele und mit einer Herzenskaelte  zu unseren Schwestern und der Erde auf der wir leben.


Sie sagte, sie sei eine Lehrerin, streng und sanft in einem.


Dass sie eine Mentorin sei, dazu da zu unterstuetzen und herauszufordern, zu formen und zu schleifen.


Dass sie eine Heilerin sei, die uns dabei unterstuetz kraftvoll, klar und rein zu werden.

Wir sassen fuer viele Stunden und sie forderte mich mit Fragen, waehrend sie mir Raum und Zeit gab, Ideen zu entwickeln, und mit einem Gefuehl der Sicherheit die Grenzen meiner  Denkwelt  zu erweiterten.


Bevor sie spaet in der Nacht mein Haus verliess hatte die Goettin der Heiligen Wut mich eingeladen zum Feuerkreis der Alten Weiber und Weisen Frauen.


“ Komme, wenn die Zeit reif ist, ‘ sagte sie. ‘ Du kennst den Weg und das Feuer brennt immer.


Dort koennen wir frei zusammen reden und schweigen. Daraus wird tiefe Heilung, Bewussthein und Handlung kommen. Vertaue nur darauf, dass wir heilen und geheilt werden.”


Und damit ging sie in die Nacht.


Und wird trotzdem niemals wieder ganz verschwunden sein

Esther Moser


PS. Einige Wochen spaeter, nach OP und genuegend Erholungszeit auf dem Sofa, registrierte ich www.redtent.ie. (Ich lebe in Irland) Die Zeit ist reif und bald werden wir Frauen uns am Feuer treffen um zuzuhoeren, mitzuteilen und zu erschaffen., mit Lachen und Weinen gewuerzt. Moegen die Goettinnen mit uns sein. Und moegest Du uns eines Tages besuchen, im Internet oder persoenlich!

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